Ein Kind, dass 100 Sprachen spricht ist ein Wunderkind? Nein, ganz normal – sagt die Reggio-Pädagogik. Gemeint sind natürlich nicht Fremdsprachen, sondern Wege sich auszudrücken und somit Wege mit der Welt zu interagieren.

Und warum werden diese dem Kind gestohlen? Weil das Kind in seinem Alltag häufig nicht die Chance hat, eben diese ihm mitgegebenen Ausdrucksmöglichkeiten auch zu nutzen. Weil der von uns Erwachsenen für das Kind gestaltete Alltag oft wenig Inspiration und kreative Ausdrucksmöglichkeiten bietet sondern stattdessen die Kinder gewissermaßen ruhig stellt und abstumpft. Doch dass können wir ändern! Und dazu möchte ich mit diesem Artikel anregen:

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Unser Schmetterlingstisch, eine Reggio-Provokation zum Erkunden und Gestalten

Was Reggio-Pädagogik bedeutet

Starke und kreative, soziale und selbstbestimmte, wissensdurstige und kompetente Kinder im Mittelpunkt, engagierte Erwachsene an ihrer Seite sowie sorgfältig gestaltete, einladende und inspirierende Räume – das ist die Reggio-Pädagogik.

Entstanden aus einer Elterninitiative im Nach-Kriegs-Italien, möchten die Reggio-Einrichtungen selbstständige, aktive und kompetente Menschen heranwachsen lassen. Dabei handelt es sich nicht um ein pädagogisches Konzept im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr um ein wertschätzendes Menschen- bzw. Kinderbild und eine Reihe von Prinzipien, welche in den Kinderbetreuungseinrichtungen von Reggio Emilia umgesetzt werden. Aufgrund der äußerst positiven Erfahrungen mit diesem Konzept, wurde es als Reggio-Pädagogik bekannt und findet weltweit immer mehr Freunde.

Das Kind wird im Rahmen der Reggio-Pädagogik als kompetente Gestalter seiner eigenen Bildung anerkannt. Es agiert selbstbestimmt und wird gleichzeitig begleitet von anderen Kindern, seinen Eltern, Erziehern sowie vielfältigen anderen Erwachsenen seiner Umgebung (Kindererziehung als kommunale Gemeinschaftsaufgabe). Innerhalb dieser Gemeinschaft ist das Kind ein vollwertiges Mitglied und hat in allen Entscheidungen ein Mitspracherecht – eine Hierarchie gibt es nicht. Dadurch wird demokratisches und soziales Denken und Handeln bewusst gefördert.

Jedes Kind ist neugierig und experimentierfreudig. Es genießt eine ästhetische Umgebung sowie hochwertige Materialien. Seine Rechte und seine Eigenständigkeit werden jederzeit gewahrt. Damit ist das Kind kein unfertiges Erziehungsobjekt oder ein leeres Behältnis, welches mit Wissen und Regeln gefüllt werden muss. Stattdessen ist es das Ziel, seine Gesamtpersönlichkeit sowie jegliche seiner „Sprachen“ (Sprache, nonverbale Kommunikation, künstlerischer und spielerischer Ausdruck) zu sehen, wertzuschätzen und zu unterstützen. Die Kinder wachsen und lernen, indem sie täglich dazu angeregt werden ihr Verständnis ihrer Umwelt auszudrücken und weiter zu entwickeln. Dies geschieht auf vielfältige Weise, wobei künstlerischen und kreativen Ausdrucksformen eine große Bedeutung haben.

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Einladung zum Malen und Zeichnen

Auch die Umgebung, d.h. die Räume sowie die natürliche Umgebung spielen eine große Rolle. Räume, welche für die Kinder gestaltet werden, gelten als 3. Lehrer. Sie sollen Kinder inspirieren und ihnen vielfältige Möglichkeiten bieten. Sorgfältig ausgewählte, ästhetische und hochwertige Spiel- und Kunstmaterialien sowie viel natürliches Licht und eine übersichtliche Präsentation sind typisch für Reggio-Einrichtungen.

Genaugenommen gibt es kein Konzept, welches man als Reggio-Pädagogik bezeichnen kann und deshalb auch keine nach den Methoden der Reggio-Pädagogik arbeitenden Einrichtungen. Vielmehr geht es um die Konzeption einer zukunftsweisenden und kindorientierten Kinderbetreuung für die italienische Stadt Reggio Emilia. Bekannt geworden ist die Reggio-Pädagogik  insbesondere durch den Einsatz des Pädagogen Loris Malaguzzi sowie durch die Kür zum besten „Early Childhood Education“- Programm der Welt durch das Newsweek Magazine im Jahr 1991.

Es gibt ein wundervolles Gedicht von Loris Malaguzzi, welches beschreibt wie die Aussage mit den 100 Sprachen gemeint ist. Du findest sowohl die italienische Version als auch eine absolut lesenswerte deutsche Version beim Dialog Reggio. Für diejenigen, die nun wie ich völlig begeistert sind, gibt es auch in Deutschland an der Reggio-Pädagogik orientierte KiTas. Eine Karte findet sich auf der Website Dialog Reggio. Oder du lässt dich  einfach für zuhause inspirieren:

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Winterliche Einladung bzw. Reggio-Provokation zum kreativen Spielen mit unserem Indoor-Schnee

Und wie kann man das zuhause umsetzen

Wunderschöne Räume für die verschiedenen Aktivitäten, ein eigenes Atelier sowie das soziale Lernen in der Gruppe – wie soll man das zuhause umsetzen?

Ich denke, der Kern der Reggio-Pädagogik ist das Menschen- bzw. Kinderbild: das Kind steuert seine Lernprozesse und Interessen selbst, wir Erwachsenen sind beobachtende Unterstützer. Das nimmt viel Druck (Animieren, Fördern, für möglichst viel Input sorgen) und Verantwortung von uns Erwachsenen und lässt Kindern Raum, sich aus ihrem Inneren heraus zu entwickeln.

Die Aufgabe der Erwachsenen besteht darin, dem Kind ein begleitender Partner zu sein. Jemand, der mit dem Kind über die Welt staunt und Fragen stellt, der gemeinsam mit dem Kind Hypothesen aufstellt und experimentiert. Allerdings auch jemand, der bewusst einen Schritt zurücktritt und die Verantwortung beim Kind lässt. Eben jemand, der abwartet, zuhört und beobachtet um im passenden Moment als hilfsbereiter Partner bereit zu stehen oder einen Impuls zu geben. Das lässt sich wunderbar zuhause umsetzen.

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Ein „Entdecke die Welt“-Tisch, der es bisher nicht in einen Artikel geschafft hat

Auch „die Umgebung als dritter Lehrer“ lässt sich in etwas angepasster Form zuhause wunderbar umsetzten. Es geht um Spielmaterialien, welche die Fantasie der Kinder beflügeln. Um einladend gestaltete Räume, welche die aktuellen Interessen ihrer Bewohner widerspiegeln. Um vielfältige und möglichst hochwertige Kreativmaterialien und echte Werkzeuge anstelle von unbrauchbaren Kindervarianten. Es geht darum Kindern viele Materialien anzubieten aber dabei wenig Vorgaben über deren Verwendung zu machen. Und es geht darum die Fragen, Gedanken und Lösungen der Kinder wahrzunehmen, wertzuschätzen und auf eine kindgerechte Art zu dokumentieren.

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„Mama, ich will morgen das R lernen“

Weitere Punkte, die ich für hilfreich halte:

  • der große Stellenwert von Kunst als Form sich auszudrücken, quasi als Kommunikations- und Lernmethode
  • der Natur auch drinnen Raum geben, als Deko-, Spiel- und Lernmaterial
  • Inspiration in Form von „Provokationen“ = Einladungen, d.h. ansprechend präsentierte Materialien, von denen die Kinder gewissermaßen kaum ihr Finger lassen können (schau dir als Beispiele die Bilder in diesem Artikel an, sie sind, wo sinnvoll, mit den jeweiligen Artikeln verlinkt)
  • Dokumentation für die Kinder – ihren Gedanken Raum geben und zu über-/weiterdenken anregen
  • Spiegel integrieren, damit Licht schönere und interessantere Räume schaffen kann und damit weitere Perspektiven neugierig machen
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Einladung zum Lesen erster Worte

Das Ganze klingt eher abstrakt? Dann begleite mich doch dabei, wie ich unser Zuhause nach und nach entsprechend dieser Ideen umgestalten werde und wie ich hier ihm Blog Kinderideen, Spiele und ähnliches dokumentiere. Ein aktuelles Beispiel sind einfache Umhänge für die Verkleidungskiste, womit meine Räuberkinder phantasievoll in verschiedene Rollen schlüpfen können.

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Pinguine und „Wintertiere“

Konnte ich dich neugierig machen oder sogar begeistern?

Dann berichte mir doch in den Kommentaren davon.

Lass uns gemeinsam ein lebenswertes Familienleben für alle gestalten!

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