Warum nur können meine Kinder nicht zufrieden ohne mich spielen?

Wie soll ich dieses ganze Mama-Sein stemmen, wenn ich weder für mich selbst noch für den Haushalt oder andere Projekte mehr als 5 Min am Stück Zeit habe?

Wie soll ich das Mama-Sein genießen, wenn ich keinen Spaß daran habe den ganzen Tag Bilderbücher anzuschauen, mit Bauklötzen, Puppenkindern oder Sandförmchen zu spielen oder bunte Fantasiegebilde auf Kinderbildern zu bewundern?

Und wie soll ich abends nicht müde mit meinen Kindern einschlafen, wenn doch der ganze Tag aus lebhaften Kinderaktivitäten besteht?

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Ich denke viele Eltern wählen hier die Option Kinderbetreuung, fremdbestimmte Nachmittagsaktivitäten und Verabredungen sowie eben Familienzeiten voller Kinderspiele, bis die Kinder dann doch von sich aus alleine spielen oder aber eigenständig mit Freunden oder Fernsehen ihre Nachmittage füllen. Ich habe einen anderen Weg gewählt, d.h. ich stand und stehe immer wieder vor diesen Fragen. Und ich habe herausgefunden, dass wir Eltern doch eine Menge Gestaltungsspielraum haben um unabhängiges Spielen auf sanfte Art anzuregen:

Beziehung und Bedürfnisse

Ich habe an anderer Stelle über Voraussetzungen für freies Spielen und mehr Freispiel-relevantes geschrieben. Bereits dort habe ich betont, dass die Beziehung stimmen bzw. die Bedürfnisse erfüllt sein sollten. Wenn dein Kind mit der Frage beschäftigt ist, ob du es wirklich liebst bzw. wann es beispielsweise endlich wieder etwas zum Essen gibt, so wird es wohl nicht entspannt in seinem Spiel versinken.

Das mag vielleicht merkwürdig klingen, doch laufen meiner Erfahrung nach erstaunlich viele Kinder mit einem relativ leeren „Aufmerksamkeits-Tank“ durch die Welt (meine eigenen zu manchen Zeiten definitiv auch). Zuerst in Beziehung und Bedürfnisse investieren erscheint gerade dann, wenn man selbst am Limit ist, kaum möglich. Doch es ist ein wichtiger Schritt hin zu in sich versunkenem, selbstständigem Spielen und ein wesentlicher Baustein eines bedürfnisorientierten Familienlebens.

Letztendlich können Kinder sich auch anpassen und ohne gestillte Bedürfnisse spielen. Aber ich vermute mal, dass es einfacher ist wenn dem nicht so ist.

Spiel-Umgebung und Spielmaterial

Wenn du in ein Zimmer kommst und einmal darauf achtest, so fühlst du dich vermutlich entweder eingeladen dort entspannt Zeit zu verbringen oder aber abgelenkt, überfordert von unzähligen wartenden Aufgaben oder schlicht unwohl. Die meisten Kinder werden ebenfalls von ihrer Umgebung beeinflusst: die Umgebung kann zu fokussierten und konzentriertem, tief versunkenen Spielen einladen. Genauso kann die Umgebung aber auch sagen wühle dich durch Massen von Spielsachen ohne etwas Passendes zu finden oder tobe hier wild herum.

Wir Eltern gestalten gewissermaßen über die Umgebung eine Atmosphäre, auf welche sich die Kinder oft einlassen. Diesen Zusammenhang nutzen verschiedene Pädagogik-Zweige (beispielsweise die Reggio-Pädagogik) ganz gezielt, um über die Gestaltung der Umgebung das Verhalten der Kinder sanft zu lenken. Ich habe darüber beispielsweise in meinem Artikel über die verschiedenen Spielräume geschrieben – ein Konzept welches bei uns sehr gut funktioniert. So befinden sich beispielsweise „Tobespielsachen“ bewusst in den Kinderzimmern und im Garten, während im Wohnzimmer ein geliebter Kunstbereich (in Anlehnung an Reggio unser „Studio“) sowie eine fast täglich genutzte Bauecke zum ruhigeren und konzentrierten Spielen einladen.

Weitere Punkte, an welchen ich gerade arbeite, sind Ordnung und Übersichtlichkeit der Spielmaterialien. Hier geht es zum einen um eine sinnvolle und übersichtliche Auswahl an Spielmaterial: Loose Parts sind zwar einerseits großartig, bieten aber andererseits sehr viel Chaos-Potential. Auch Bausteine und Co sind super sinnvoll für kreatives Spielen, doch auch sie sind einfach viele Einzelstücke, die eben auch sinnvoll gehandhabt werden wollen. Insgesamt ist es definitiv empfehlenswert, sowohl die Arten von Spielmaterial als auch die zugängliche Gesamtmenge möglichst übersichtlich zu halten und eher Spielmaterial zu rotieren als alles auf einmal zugänglich zu haben.

Und noch ein Tipp: eine eigentlich immer großartige Spielumgebung ist die Natur. Damit meine ich richtige Natur, nicht den nächsten Spielplatz. Der kann zwar auch ganz gut sein, aber die designten Spielgeräte dort bieten lange nicht so viel Potential an Anregung und Herausforderung wie Kletterbäume, ein Bach, eine Blumenwiese inklusive Insekten, eine Waldlichtung und was die Natur eben sonst so zu bieten hat.

Regelmäßig ungestörte Zeit

Spielen braucht Zeit, viel unverplante Zeit. Gerade wenn die Kinder noch nicht vor Ideen sprühen und sich erst einmal einfinden müssen in ihr Spiel, dann braucht es sehr viel zeitlichen als auch gedanklichen Freiraum – wenn nur 30 Minuten bis zur nächsten Aktivität zur Verfügung stehen, ist vermutlich der Kopf nicht frei genug um sich wirklich einzulassen. Von daher braucht gutes, unabhängiges Spiel einfach größere Zeiträume zur freien Verfügung.

Außerdem brauchen die meisten Kinder regelmäßig Freiräume zum spielen. Avital (vom Parenting Junkie) beschreibt das Spielen wie einen Muskel – wird es trainiert, dann wird es stärker und stärker. Wird es vernachlässigt, so wird es schwächer. Ich denke dieses Bild passt sehr gut, denn je mehr Zeit meine Kinder zum freien Spiel haben (beispielsweise in unverplanten Ferienwochen und an verlängerten Wochenenden), desto stärker sprudeln die Spielideen. Haben wir dagegen eine sehr verplante Woche, so werden sie bei nächster Gelegenheit vermutlich über Langeweile klagen.

Aus diesem Grund verplanen wir grundsätzlich nicht alle Nachmittage pro Woche und versuchen selbst an verplanten Nachmittagen, zumindest irgendein Zeitfenster zum Spielen zu finden – die kindergartenfreien Räuber haben meist genug Spielzeit aber die Schulkind-Prinzessin kommt sonst manchmal nicht zum spielen. Ich weiß aber wie gut es ihr tut und achte einfach darauf.

Freispiel als Gewohnheit

Freies Spiel wird, wenn oft genug Gelegenheit dazu besteht, schnell zur Gewohnheit. Genauso wie sich Kinder beispielsweise gerne daran gewöhnen am Wochenende vormittags vor dem Fernseher zu sitzen, so haben sich unsere Kinder daran gewöhnt am Wochenende vormittags eine ausgedehnte Spielzeit zu genießen. Sie sind es gewöhnt, dass wir Eltern zu diesem Zeitpunkt anderweitig beschäftigt sind und nicht als Mitspieler zur Verfügung stehen. Also spielen sie meist gemeinsam, manchmal aber auch jeder für sich stundenlang tief versunken. Diese Zeit tut uns allen gut.

Ich denke, man kann Kinder daran gewöhnen, dass Spielen immer mit Mama oder Papa stattfindet – gerade mit sehr kleinen Kindern passiert das manchmal. Auch meine Prinzessin wollte zeitweise dauerbespielt werden und war es einfach nicht gewöhnt alleine zu spielen. Natürlich ist es auch eine Frage der Persönlichkeit und der sozialen Bedürfnisse, aber eben auch eine Gewohnheit. Doch Gewohnheiten kann man verändern und so lassen sich Schritt für Schritt gute Spielgewohnheiten einführen.

Inspiration zum Spielen

Manchmal fehlt Kindern einfach die passende Spielidee um mit dem Spielen zu beginnen. Natürlich ist es nicht Sinn der Sache, dass wir Eltern dauerhaft und ständig für die Spielideen der Kinder zuständig sind. Das macht die Kinder sehr unselbstständig.

Aber wenn akut eine Spielidee fehlt, so hilft es oft eine kleine Anregung zu geben. Entweder im Sinne einer Einladung, also einer vorbereiteten Umgebung, oder mündlich: „Schau mal, das Tier hätte sicherlich gerne ein Zuhause“ (mit kleinen Tierchen und Bausteinen) oder „Dein Puppenkind sieht müde aus, willst du es nicht ins Bett bringen?“. Gerade meinem Kleinsten helfen solche Anregungen um ins Spielen zu kommen.

Meine beiden Größeren mögen es, wenn wir ihre Pläne abends aufmalen oder aufschreiben, damit sie morgens einen Ansatzpunkt haben wo es weitergehen sollte. Oder aber wenn ich eine „Einladung“ (gerne ein Kunstmaterial) für sie ansprechend bereitstelle.

Als letzten Punkt bei der Inspiration geht es ganz grundsätzlich um Ideen und Inspiration: Ausflüge, spannende Bücher, erzählte Geschichten, beobachtete Haushaltstätigkeiten (gerade für kleinere Kinder) und vieles mehr wirkt in den Kindern weiter. Vermutlich ist auch dies Typsache, doch das Spielverhalten meiner Kinder profitiert sehr davon, wenn ich darauf achte, dass sie Geschichten, spannende Fragen und Erlebnisse im Kopf haben. Sie spielen dann anders und die Ideen sprudeln.

Letztendlich sind alle diese Punkte keine Garantie für stundenlang selbstständig spielen Kinder. Wenn du ganz dringend 100% kinderfreie Zeit benötigst, so wirst du dir mit einem Babysitter behelfen müssen. Aber es ist durchaus möglich relativ viel selbstbestimmte Zeit neben der Kinderbetreuung zu haben, während die Kinder gut und selbstständig spielen. Mir ermöglicht das Spielen meiner Kinder beispielsweise gerade das Schreiben dieses Artikels 🙂 und ganz allgemein einen wesentlich entspannteren Alltag in welchem auch mein Bedürfnis nach Zeit für mich nicht zu kurz kommt. Da meine Kinder eben nicht von alleine in dieses Spielverhalten gefunden haben, empfinde ich die Beschäftigung mit diesen Punkten (wenn nötig) als sehr sinnvoll.

Auf in ein fröhliches und selbstbestimmtes Familienleben

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