Babys und Kleinkinder spielen anders. Natürlich spielt jedes Kind auf seine individuelle Art und natürlich gibt es auch in anderen Altersklassen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen spielenden Kindern. Doch gerade wenn wir beim „Spielen“ an Rollenspiele, aufgebaute kleine Welten und mehr denken – dann stellt sich die Frage wie nun eigentlich Babys und Kleinkinder spielen.

Wie sollen wir etwas fördern und anregen, dass wir nicht erklären können und nicht verstehen?

Deshalb möchte ich in diesem Artikel nicht nur Beispiele für Einladungen zum Spielen geben, sondern auch erklären wie kleine Kinder eigentlich spielen und warum sie es genau so tun, wie sie es tun. Gerüstet mit diesem Hintergrundwissen wird es dir viel leichter fallen, die passenden Einladungen zum Spielen für dein Baby oder Kleinkind zu gestalten.

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Was spielen eigentlich Babys und Kleinkinder?

Babys erforschen in ihrem Spiel alles um sich herum: die Menschen, die Gegenstände und die Umwelt. Man nennt dieses Spiel auch „Erkundungsspiel“. Von daher gehören Verhaltensweise zum „Spielen“, die wir vermutlich nicht unbedingt als „Spielen“ beschreiben würden: Gegenstände in den Mund nehmen/ befühlen/ werfen/ hin und her tragen, Wasser schütten und vieles mehr. Vielleicht ärgern wir uns sogar über diese Verhaltensweisen, wenn beispielsweise wiederholt etwas geworfen wird und wir es wieder aufheben müssen. Doch wenn man sich dessen bewusst ist, kann man beobachten, dass die Kinder völlig konzentriert und oft im Flow bei ihrer jeweiligen Beschäftigung sind und manchmal regelrecht wie Wissenschaftler vorgehen, verschiedene Varianten austesten und systematisch erkunden.

Auch Kleinkinder spielen ebenso wie Babys Erkundungsspiele, doch nach und nach kommen Rollenspiele, Bauprojekte und vieles mehr hinzu. Dieser „Übergang“ passiert häufig schleichend und ist manchmal frustrierend für Kinder wie Eltern. Auch in dieser Phase können Einladungen zum Spiel eine wunderbare Hilfe sein. Es ist eine spannende Zeit, wenn nach und nach andere Arten des Spielens dazu kommen, doch das Erkunden bleibt noch lange ein Teil des Spielverhaltens.

Erkundungsspiele lassen sich eigentlich relativ gut anregen bzw. geht es eigentlich nur darum diese nicht zu verhindern und geeignetes Material bereit zu stellen. Die einzige Herausforderung besteht häufig darin zu beobachten, was warum gerade so interessant für das Kind ist um daraus Rückschlüsse auf geeignete weitere Spielideen zu ziehen. Hilfreich ist hierbei etwas Hintergrundwissen:

Schemata

Die Theorie der Schemata gründet auf die Theorie zur kognitiven Entwicklung des Kindes von Jean Piaget (eine gute englischsprachige Einführung findest du bei Simply Psychology). Innerhalb seiner Entwicklung erarbeitet sich das Kind Verhaltensmuster und mentale Modelle seiner Umwelt, welche es auf unterschiedliche Situationen anwenden kann. Beispielsweise versteht das Kind, dass alle Dinge nach unten fallen, dass wir Pakete auspacken müssen um den Inhalt zu sehen und dass wir Begegnungen mit Menschen mit einer Begrüßung beginnen, uns eventuell unterhalten und dann verabschieden. Dies sind alles unterschiedlich komplexe mentale Modelle der Lebenswirklichkeit eines Kindes, die ihm helfen seine Welt zu verstehen und darin zu handeln, ohne ständig alles neu betrachten und bewerten zu müssen.

Mithilfe seines Erkundungsspiels entwickelt das Baby oder Kleinkind genau diese mentalen Modelle seiner Umwelt. „Schemas“ sind gewissermaßen die Basiseinheiten solcher mentalen Modelle: Dinge können herumgetragen, eingepackt, in Linien angeordnet, … werden und damit beschäftigen sich die Kinder im sogenannten Schema-Spiel, einer theoretischen Weiterentwicklung des Ansatzes von Piaget. Es gibt sehr viele solche Schemas, doch wer das Prinzip verstanden hat und einige dieser Schemas kennt, kann das Spiel von Babys und Kleinkindern auf ganz andere Weise beobachten und verstehen. Im Folgenden möchte ich einige dieser Schemas vorstellen und ein paar Anregungen geben, wie Einladungen zum Erkunden/Spielen jeweils aussehen könnten:

Lineare Bewegung

Das Kind bewegt sich selbst oder Gegenstände in vertikalen, horizontalen oder diagonalen Richtungen. Beispielsweise lässt es wiederholt Gegenstände oder auch Essen fallen und beobachtet deren Fall. Es wirft mit Gegenständen oder liebt es auf der Schaukel zu sitzen oder diese zu beobachten.

Gute Spielmaterialien für dieses Schema sind der eigene Körper (rutschen, rollen, mit den Armen schwingen, treten und vieles mehr) sowie beispielsweise Bälle und kleine Fahrzeuge.

Als Einladungen eignen sich beispielsweise:

  • Linien auf dem Boden (Papier-Klebeband) und dann schauen, wie sich das Kind damit beschäftigen möchte (entlang-balancieren, als Straße benutzen, …)
  • eine Rampe für kleine Fahrzeuge
  • ein sicherer Ort irgendwo hinunter zu hüpfen oder etwas hinunter zu schmeißen
  • eine Rutsche/ schiefe Ebene aufbauen (z.B. mit einem Brett m Sofa/ Bett/ großem Polster)
Wie Babys und Kleinkinder spielen - Beispiel einer einfachen Rampe
Eine einfache Rampe mit Fahrzeug zum Erkunden von linearen Bewegungen, wobei ein einfarbiger, nicht ablenkender Untergrund noch schöner wäre
(Variante für größere Kinder: mehrere unterschiedliche Fahrzeuge, die unterschiedlich schnell und weit rollen)

Transport

Gegenstände werden von einem Ort zum anderen getragen oder gefahren. Manchmal werden die Gegenstände auch dauerhaft umher getragen. Manche Kinder lassen sich selbst auch gerne herumtragen oder herumfahren oder versuchen es mit anderen Kindern.

Gute Spielmaterialien für dieses Schema sind Taschen, Beutel, Eimer und andere Behältnisse, in denen die Kinder Dinge transportieren können. Auch Puppenwagen, kleine Handwagen und vieles mehr ist attraktiv.

Als Einladungen eignen sich beispielsweise:

  • ein Spielzeug-Lkw mit geeigneter Ladung
  • eine Puppentrage mit Puppe oder größerem Kuscheltier
  • ein Band etc. an eine Kiste binden, so dass diese über Teppich gezogen werden kann
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Eine Einladung für das Transport Schema: Fahrzeug und Ladung zum Einladen und Transportieren

Sortieren

Innerhalb dieses Schemas werden Gegenstände oder auch Personen („jeder muss an seinem Platz sitzen“) nach unterschiedlichsten Kriterien sortiert.

Gute Spielmaterialien sind somit all diejenigen, die sich sortieren lassen: Autos, Tierfiguren, Knöpfe (Vorsicht wegen möglichem Verschlucken), Wäscheklammern, bunte Plastikbuchstaben,… sowie geeignete Behältnisse. Die Dinge können nach Farbe, Größe oder anderen Kriterien sortiert.

Als Einladung eignen sich beispielsweise:

  • kleinere Gegenstände zum Sortieren und ein Muffinblech
  • farbige Schälen (oder andere Behältnisse) und kleine Gegenstände in entsprechenden Farben
  • Puzzle oder Spiele mit Formen oder Farben
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Einladung zum Sortieren – je größer das Kind desto kleiner dürfen die Dinge zum Sortieren werden
(Verbesserung: noch schöner wäre als erste Anregung jeweils ein Teil in einer Vertiefung und der Rest in einem Körbchen, später dann alle Sortierteile in einem Körbchen etc.)

Verbinden

Beim Verbinden erkundet das Kind, wie es unterschiedliche Dinge verbinden kann: es werden Seile oder Tücher um Stuhlbeine und ähnliches gewickelt, kleine Waggons mit Magnetverschlüssen angekuppelt und wieder getrennt oder Schnürsenkel verknotet.

Geeignete Spielmaterialien für dieses Schema sind beispielsweise Holzeisenbahnen mit Magnetkupplung, Kleidungsstücke mit spannenden Verschlüssen und verschiedene Bänder und Tücher. Auch Puzzle und Spiele mit Steckverbindungen sind hier passend.

Als Einladung eignen sich beispielsweise:

  • Dinge auffädeln (je nach feinmotorischen Fertigkeiten beispielsweise „Scheiben“ von Toilettenpapierrollen, ungekochte Nudeln, Abschnitte von Strohhalmen, gelochtes festeres Papier, …), Schnürsenkel eignen sich wegen ihrer Plastikummantelung am Ende besonders gut zum Auffädeln
  • Wäscheklammern mit Tüchern oder Decken
  • Papierklebeband (bei kleineren Kindern griffbereit in Abschnitten präsentieren) und irgendein Material zum Bekleben
  • Strickjacke so über eine Stuhllehne gezogen, dass Reißverschluss/ Knöpfe ausprobiert werden können
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Tücher und Wäscheklammern als Einladung Verbindungen zu erkunden

Einwickeln, Zudecken und Verstecken

Das Kind liebt Höhlen, Tunnel und andere Verstecke. Manchmal werden Bilder komplett übermalt oder die Kinder verpacken Gegenstände oder sich selbst (verkleiden) in Tücher, Kartons oder was sonst so zur Verfügung steht.

Geeignetes Spielmaterial ist für dieses Schema all das, womit man Gegenstände oder sich selbst einpacken oder einwickeln kann: (Hand-)Tücher, Decken, Schals, Kartons, …

Als Einladungen eignen sich beispielsweise:

  • eine aus Decken oder ähnlichem gebaute Höhle
  • große Pappboxen, in welche die Kinder hinein kriechen können
  • verschiedene Gegenstände in Tücher einwickeln und entdecken lassen
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Kuschelecke in einer Höhle – so lässt es sich länger darin aushalten 🙂

Es gibt noch eine große Anzahl weiterer Schemas – der Ansatz nach Pen Green spricht beispielsweise von 41 Schemas. Ich denke jedoch, dass es ausreichend ist das Konzept verstanden zu haben und das eigenen Kind anschließend gut zu beobachten: was tut es und was könnte dahinter stehen? Auf dieser Grundlage lassen sich alternative Materialien und Situationen für ein vergleichbares Verhaltensmuster finden und als Einladung zum Erkunden anbieten.

Aber mein Kind spielt einfach nicht?

Auch wenn man sein Kind gut beobachtet und eine passende Einladung gestaltet hat kann es sein, dass das Kind diese nicht annimmt. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  • das Kind hat mit der Beschäftigung mit diesem Schema für´s Erste abgeschlossen und somit spricht die Einladung das Kind gerade nicht an
  • das Kind ist einfach nicht in der Stimmung sich alleine konzentriert zu beschäftigen, weil es müde oder hungrig ist, gerade aus anderen Gründen eine schwere Zeit hat oder sich gerne mit seinen Bezugspersonen beschäftigen möchte (vielleicht ist es das sich alleine beschäftigen auch einfach nicht gewöhnt, dann hilft in kleinen Schritten anfangen, ggf. mit Worten begleiten und regelmäßig Möglichkeiten dafür schaffen)
  • das Kind hat gerade das Bedürfnis sich zu bewegen oder seine sprachlichen Fähigkeiten zu entwickeln

Mein Trick für eine Runde beschäftigtes Kind

Zuletzt möchte ich dir noch einen Trick verraten, wie du gelegentlich für ein gut beschäftigestes Kind sorgen kannst: mit einer Schatzkiste. Für Babys kann das ein Körbchen oder eine kleine Kiste sein, die regelmäßig mit interessanten Dingen gefüllt wird – Babyspielsachen, vielleicht Selbstgemachtes wie eine leere durchsichtige Plastikflasche mit trockenen Hülsenfrüchten etc. befüllt und sicher verschlossen, ein Tuch, sichere Haushaltsgegenstände, … Diese Schatzkiste bzw. das Schatzkörbchen darf ein größeres Baby dann gelegentlich erkunden, wenn es mal dringend eine Runde beschäftigt sein soll.

Für Kleinkinder funktioniert das gleiche Prinzip, allerdings dürfen dann etwas andere Dinge (tolle Bücher, ein einfaches Puzzle, Spielzeug, …) in der Schatzkiste auf ihren Einsatz warten. Wichtig ist, dass die Schatzkiste nur gelegentlich zum Einsatz kommt (oder regelmäßig neu befüllt wird), damit das Ganze den Reiz des Neuen nicht verliert. Das bedeutet nicht, dass du regelmäßig neue Spielmaterialien dafür kaufen musst. Es bedeutet eher strategisch nicht jederzeit alle Möglichkeiten und Materialien zugänglich zu haben, damit gelegentlich etwas erneut auftauchen kann.

Ich hoffe ich konnte dir mit dieser Einführung in das Spiel von Babys und Kleinkindern einen Einblick in die Hintergründe plus neue Inspiration für das Spiel deines Babys/ Kleinkindes mit auf den Weg geben. Wenn du Fragen oder weitere Ideen hast, so freue ich mich sehr über deinen Kommentar!

Lass uns gemeinsam ein lebenswertes Familienleben für alle gestalten!

Deine

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PS: Zu den Schemas kenne ich nur englischsprachige Bücher, welche sich nicht vorrangig an Eltern richten. Wenn dich das Thema sehr interessiert, kann ich dir beispielsweise „Understanding Schemas in Young Children: Again! Again!“ von Stella Louis* empfehlen.

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